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Nied’Arc5 Projektbeschreibung

Archäologie einer Transformationszeit. Das Gräberfeld von Niedernai und das 5. Jahrhundert am Oberrhein (Nied’Arc5) 

 

Der 1995 ausgegrabene Friedhof von Niedernai ist die einzige vollständig und modern ausgegrabene sowie weitgehend ungestörte Nekropole der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts nicht nur im Elsass, sondern auch im weiteren Umfeld. Gestützt auf die Analyse des mit 32 Gräbern (mit 33 Bestatteten) relativ überschaubaren Friedhofs werden die archäologischen Quellen zur Transformationszeit nach dem Ende des Weströmischen Reichs, d. h. die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts und das frühe 6. Jahrhundert, am Oberrhein grundsätzlich überdacht und gegebenenfalls historisch neu interpretiert. Im Zentrum steht die Frage, ob die im archäologischen Material zu erkennenden, grundlegenden kulturellen Veränderungen ursächlich auf die Zuwanderung östlicher Bevölkerungsgruppen zurückzuführen sind oder ebenso durch eine kulturelle Neuorientierung der zuvor römischen Bevölkerung erklärt werden können. Im Gegensatz zu älteren Studien, die diese Frage allein anhand ausgewählter archäologischer Funde wie den sogenannten Bügelfibeln zu beantworten suchten, wird in die Analyse die gesamte Breite archäologischer Funde und Befunde einbezogen sowie ein weites Spektrum moderner naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden eingesetzt.

Die naturwissenschaftlichen Analysen bieten die Möglichkeit, traditionelle Interpretationsmuster anhand neuen Datenmaterials auf den Prüfstand zu stellen. 14C-AMS-Daten erlauben es, die archäologisch nicht datierbaren beigabenlosen bzw. -armen Gräber in die chronologische Betrachtung einzubeziehen. Die Analyse von aDNA gewährt einerseits Aufschluss über biologische Verwandtschaftsverhältnisse. Sie liefert zugleich Informationen darüber, ob es sich bei den auf dem Gräberfeld erkennbaren Gruppen von Gräbern um Familienverbände handelte bzw. die von archäologischer Seite vermuteten sozialen Verwandtschaftsbeziehungen tatsächlich bestanden. Andererseits liefert der Vergleich der aDNA von Niedernai mit anderen Fundorten sowie mit rezenter DNA Erkenntnisse über die geographische Herkunft der dort bestatteten Individuen.

Dazu bieten Isotopenuntersuchungen eine wichtige Ergänzung. Die Analyse der Strontium- und Sauerstoffisotopen liefert weitere kontrastierende Hinweise auf Mobilität oder Ortstreue der Toten. Die Stickstoff- und Kohlenstoffanalyse erlaubt zudem Rückschlüsse auf die Ernährung der Verstorbenen und somit auf potentielle Subsistenzwechsel oder –krisen, sowie indirekt auf ihre soziale Stellung.  Das Projekt besitzt durch die Verschränkung moderner, theoretisch fundierter archäologischer Ansätze und den konsequenten und methodenkritischen Einsatz naturwissenschaftlicher Standardverfahren Modellcharakter. Wir erwarten einerseits wichtige fachliche Impulse für die deutsche und für die französische Frühmittelalterforschung sowie andererseits durch die intensive binationale Kooperation eine Zusammenführung unterschiedlicher nationaler Forschungsperspektiven. Gleichzeitig wird mit dem Projekt das bereits vorhandene altertumswissenschaftliche französisch-deutsche Netzwerk für die Spätantike auf die Frühmittelalterarchäologie unter Einbeziehung von Naturwissenschaften erweitert und ausgebaut. 

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